Organisationsentwicklung und die Zukunft der Arbeitswelt

Organisationsentwicklung und die Zukunft der Arbeitswelt

Veränderungen und Entwicklungen in der Organisation eines Unternehmens zu initiieren und erfolgreich umzusetzen mit Fokus auf die neue, vermehrt digitale Arbeitswelt, will gelernt sein. Was braucht es, um Organisationen weiterzuentwickeln und mit welchen Tools kann Veränderung gelingen?

Lehrgangsleiter Dr. Hubert Lobnig erzählt im Interview, vor welchen Herausforderungen Organisationen heute stehen, wie neue Organisationsmuster eingeführt werden können und welche Kompetenzen der Lehrgang Organisationsentwicklung und neue Arbeitswelt vermittelt.

 

Portrait Dr. Lobnig
Raimo Rudi Rumpler

Herr Dr. Lobnig, immer mehr Organisationen beschäftigen sich mit New Work und versuchen innovative Strukturen und Arbeitsweisen einzuführen. Wo vorher Mikromanagement und starre Strukturen die Szenerie beherrschten, werden nun plötzlich Flexibilität und Agilität gelebt. Und das sehr erfolgreich. Was haben wir in den letzten Jahren gelernt und warum ist das so?

Was hat sich in der Welt der Organisationen in den letzten Jahren geändert und wo geht die Reise hin?

Meine Sicht darauf ist, mit Corona gab es eine Fortentwicklung, die sich nicht mehr zurückdrehen lässt. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Viele Ärzte und Ärztinnen meinten zu Beginn der Corona-Zeit, man kann mit Patientinnen und Patienten nicht digital arbeiten. Inzwischen gibt es bei vielen Ärzt*innen die digitale Sprechstunde. Nach anfänglicher Skepsis funktioniert es einwandfrei und die Patientinnen und Patienten sind nicht mehr ortsgebunden. Auch Geschäftsreisen werden künftig „anders“ stattfinden. Für ein halbtägiges Meeting in Wien oder Köln wird man nicht mehr zwingend vor Ort sein müssen und das Flugzeug nehmen, sondern sich weiterhin in den digitalen Besprechungsräumen, vielleicht auch in hybriden Settings treffen. Die neuen Arbeitsformen sind in der Organisationspraxis angekommen. Nun sehen wir aber auch, dass diese Formen des Zusammenarbeitens - damit sie auch wirklich wirksam sein können - durch strukturelle Änderungen begleitet werden müssen: Dezentralisierung, Mitarbeiter*innenempowerment, laufende Feedbackprozesse und agiles, iteratives Arbeiten. Auch sehen wir, dass die jungen Generationen andere Vorstellungen haben von Führung und Zusammenarbeit und hierarchische Kulturen hier gar keine passenden Antworten mehr liefern können. Die Organisationsentwicklung ist hier zweifach gefordert: einerseits muss sie sich inhaltlich mit den neuen Themen der Organisationswelt beschäftigen, und andererseits ist sie selbst auch Teil dieses Prozesses und tut gut daran, ihren Werkzeugkoffer und die praktischen Kompetenzen upzudaten.

Was verstehen Sie genau unter „Organisationsentwicklung“?

Organisationsentwicklung steht an der Schnittstelle zwischen Psychologie, sozialen Interventionen, Wirtschaftswissenschaften, der Pädagogik und der Interventionsforschung und ist auf einen geplanten, systematischen und langfristigen Prozess der Veränderung und Weiterentwicklung eines Unternehmens oder einer Organisation ausgerichtet. Dabei geht es um eine größtmögliche Beteiligung aller Betroffenen. Organisationen lassen sich nicht nur durch technische Lösungen, Befehle und Ansagen von der Führung oder durch Umstrukturierungen verändern. In Veränderungsprozessen muss man mit den Menschen zusammenarbeiten – am Sinn und am Verständnis der künftig erforderlichen Strukturen, Arbeitsweisen und Themen. In der Umsetzung muss man auf die Zusammenarbeit mit allen Betroffenen setzen und es braucht Leadership an vielen verschieden Stellen der Organisation. Organisationsentwicklung hilft Unternehmen, die Zukunft gemeinsam zu erfinden und umzusetzen.

Organisationsentwicklung ist für mich sowohl ein Handlungsansatz für die Praxis als auch ein wissenschaftliches Feld und daher ist ein solcher Lehrgang sehr gut in einem universitären Kontext aufgehoben.

Mit „Neue Arbeitswelt“ ist die voranschreitende Digitalisierung in Unternehmen gemeint?

Nicht nur. Das Thema der neuen Arbeitswelt ist so etwas wie ein Sammelbecken unterschiedlicher Phänomene, die es in unserer Arbeitswelt gibt und die sich jetzt mit der Digitalisierung noch einmal beschleunigt haben. Digitalisierung ermöglicht uns u.a. raum- und zeitunabhängiges Arbeiten, das treibt eine gewisse Autonomie in den Arbeitsweisen an. Darüber hinaus gibt es aber auch den Bedarf der schnelleren Anpassungsnotwendigkeit von Organisationen und einen gesellschaftlichen Kulturwandel, der sich auf Strukturen und auf die Zusammenarbeit im Unternehmen aber auch auf die Erwartungen von Mitarbeiter*innen auswirkt. Als Konsequenz sind Organisationen gefordert, neue Formen der Zusammenarbeit zu finden und ein kollaboratives Mindset der Beteiligten auf Führungs- und auf Mitarbeiter*innenebene zu entwickeln. Eine Gesellschaft, die stark auf Wissensarbeit angewiesen ist, braucht ein sehr hohes Ausmaß an eigenständigen Entscheidungsmöglichkeiten in den jeweiligen Bereichen. Organisationsstrukturen müssen sich flexibler und agiler zeigen.

Wir beobachten dabei: viele Organisationen gehen da hemdsärmelig und eher spontan ran, als systematisch und prozessorientiert und dies führt dann oft zu Limitierungen in der Wirksamkeit und manchmal auch zur Überforderung der Akteur*innen. Im Lehrgang fokussieren wir daher systematische und strukturierte Ansätze bei der Gestaltung dieser Veränderungsprozesse – auf der Ebene der Organisation, der Zusammenarbeit und der Führung.

An welche Zielgruppe richtet sich der Universitätslehrgang?

An Personen, die im Praxisfeld der Transformation von Organisationen tätig sind, in das Gebiet gerade einsteigen und schon erste Erfahrungen machen oder ihre Kompetenzen dazu auffrischen wollen. Personen, die in der Personal- oder Organisationsentwicklung tätig sind, sich aus einer Beratungs-, Expert*innen oder Führungsrollen heraus mit Veränderungsprozessen von Organisationen beschäftigen oder als Agile Coaches Unternehmen bei Change Prozessen unterstützen.

Das kann zum Beispiel auch im Rahmen eines Start-ups sein, das sich ausdifferenzieren muss und merkt, dass man mit den bestehenden Strukturen und Kommunikationsformen (z. B. des Informellen – also alle können mit allen reden) nicht vorwärtskommt und man einen strukturierten Prozess braucht, wie man sich besser organisieren kann. Dazu braucht es Wissen und Tun. Und dieses Wissen hängt sehr stark mit dem Thema der Organisationsgestaltung und Organisationsentwicklung zusammen. Im Lehrgang Organisationsentwicklung und neue Arbeitswelt lernt man zum Beispiel, wie man Organisationen designen kann oder wie man Interventionsformen wie World Cafés, Open Spaces professionell einsetzt und auch digital durchführen kann. Bei den Organisationsgestaltungsfragen lernt man Tools und Instrumente anzuwenden, die es braucht, wenn man zum Beispiel Organisationsveränderungen durchführen oder neue Strukturen oder Prozesse etablieren möchte. Zielgruppe sind also all jene Personen, die aktiv durchführend und steuernd an Prozessen beteiligt sind und mitwirken.

Die Bertha von Suttner Universität steht für einen hohen Praxisanteil. Wie sieht es damit bei Organisationsentwicklung und neue Arbeitswelt aus?

Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden von unserem Referent*innenteam aktiv begleitet, ihre eigenen Veränderungsprozesse im Unternehmen zu optimieren und zu gestalten. Dies betrifft häufig nicht nur Interventionen der Organisationsentwicklung selbst, sondern auch die Veränderung der eigenen Rolle, verbunden mit Lernprozessen und neuen Positionierungen im beruflichen Umfeld. Während der Ausbildung gibt es beispielsweise das Modul Prozess- und Transferreflexion. Dabei wird eruiert, an welchem Punkt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in ihrer Praxis stehen und wo sich individuell Lern- und Entwicklungsfragen ergeben.

Allerdings müssen wir hier auch eine Begrenzung ansprechen: Der Umfang des Lehrgangs mit 30 ECTS kann hier keine Wunder bewirken, zumal wir als Universitätslehrgang den Anspruch haben, nicht nur an den mitgebrachten Fällen und Praxisthemen der Teilnehmer*innen zu arbeiten sondern auch die Inhalte des Programms zu vermitteln.

Kann Organisationsentwicklung in jedem Unternehmen angewendet werden?

Viele Unternehmen müssen, um überleben zu können, kontinuierlich neue oder verbesserte Angebote einführen, ihre Produktivität erhöhen oder ihre Geschäftsmodelle optimieren. Kurz: Sie brauchen Innovationen. Ein Beispiel: Ein Unternehmen, das Altstoffe entsorgt und mobile WCs vermietet. In einer Zeit, in der wenige Veranstaltungen stattfinden, werden auch viel weniger mobile WCs gebraucht. Das Unternehmen nutzt diese Zeit, um die internen Prozesse, die Vertriebskanäle und die Kundenkontakte zu digitalisieren, aber auch um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Wir sprechen hierbei von Innovationsprojekten. Man kann Innovationen aber nicht einfach verordnen – im Sinne einer Direktive der Unternehmensleitung. Das muss vielmehr als gemeinsamer Prozess im Unternehmen entwickelt werden, der sich sehr stark auf den Kunden ausrichtet und bereichsübergreifend Mitarbeiter*innen einbindet . Es braucht Kommunikationsformate und Arbeitsstrukturen, die geeignet sind, die Neugier und Kreativität von Personen zu fördern aber auch die Umsetzung von neuen Ideen zu realisieren und es braucht eine Kultur, die Engagement und Freude am Neuen erzeugt. Dieses Mitnehmen der Belegschaft finde ich persönlich sehr spannend. Absolventinnen und Absolventen des Lehrgangs lernen hier Tools anzuwenden, um Organisationen partizipativ zu entwickeln.

Sie lehren selbst, welche Expertinnen und Experten findet man noch in Ihrem Team?

Das Team der Referentinnen und Referenten zeichnet sich durch langjährige internationale Praxis in der Organisationsentwicklung und ausgewiesene wissenschaftliche Fachkompetenz aus. Sie kommen aus der internationalen Hochschullehre, der Unternehmensberatung, dem Coaching, der Innovationsberatung und aus der Organisations- oder Personalentwicklung.

Im Universitätslehrgang Organisationsentwicklung und neue Arbeitswelt werden wissenschaftlich fundierte und in der Praxis erprobte aktuelle Theorien, Praxisansätze und Interventionsinstrumente vermittelt. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei in der Integration aktueller Ansätze des neuen Arbeitens, der digitalen Praxis und der neuen Arbeitswelt, die sich durch zeit- und ortsunabhängige Kollaboration auszeichnet. Der berufsbegleitende Universitätslehrgang dauert 8 Monate und startet immer im Wintersemester. Es werden 22 Plätze vergeben. Anmeldungen sind jederzeit möglich. Dieser Lehrgang wird interaktiv, innovativ und mit nachhaltigem Teamlernen sowie Vernetzungsmöglichkeiten für die Studierenden gestaltet.