Social Health in der neuen Arbeitswelt

< Alle News

Social Health in der neuen Arbeitswelt

Homeoffice, Remote Work und neue Prozesse: Die Digitalisierung und Flexibilisierung unseres Arbeitslebens führen zu neuen Formen der Zusammenarbeit und Kommunikation. Obwohl dieser Wandel bereits seit Längerem zu beobachten ist, hat die Corona-Pandemie diesen Prozess sehr stark beschleunigt. Räumliche Distanz, digitale Kommunikation und computerbasierte Tools der Zusammenarbeit stellen das bisher gewohnte soziale Miteinander infrage. Das hat zahlreiche Auswirkungen auf unser soziales Wohlbefinden und unsere soziale Gesundheit am Arbeitsplatz.

Dr. Hubert Lobnig, Lehrgangsleiter des Online-Lehrgangs Organisationsentwicklung und neue Arbeitswelt über die Herausforderungen der neuen Arbeitswelt.

 

Was ist soziale Gesundheit und weshalb ist dieser Ansatz heute wichtig?

Social Health geht davon aus, dass soziale Beziehungen einen Einfluss auf unsere geistige und körperliche Gesundheit haben. Social Health ist die Fähigkeit, mit anderen zu interagieren, zu kooperieren und sinnvolle Beziehungen zu bilden. Und sie bezieht sich auch darauf, wie gut wir uns in sozialen Situationen an neue Bedingungen und Kulturen anpassen können.

Eine aktuelle Studie der Barmer Krankenkasse und der Universität St. Gallen (2020) bezieht das Konzept der sozialen Gesundheit auf die heutige digitalisierte Arbeitswelt. Unter dem Titel „Social health@work“ geht es dabei um die Frage, wie Menschen gesunde Verhaltensweisen und Arbeitsbeziehungen entwickeln können, um die charakteristischen Spannungsfelder von Erreichbarkeit und Abgrenzung, Autonomie und Eingebundenheit sowie Produktivität und Erholung für die neue Arbeitswelt erfolgreich zu gestalten. Das Konzept bietet interessante Anregungen für die Personal- und Organisationsentwicklung.
 

Aspekt 1: Kommunikation

Die digitale Arbeitswelt erfordert eine umfassendere Erreichbarkeit. Durch raschere Kommunikation kommt es zu Geschwindigkeitserhöhungen bei Abläufen. Damit können Unternehmen Produktivität und Leistung deutlich erhöhen. Dies erfordert jedoch ein soziales Miteinander, in dem ein rasches Kommunizieren auch angenehm und leicht ist. Sowohl Mitarbeiter als auch Führungskräfte sollten die soziale Atmosphäre als positiv, wertschätzend und einbindend erleben.

Die Gestaltung der Kommunikation ist gerade in der digitalen und online-basierten Zusammenarbeit ein entscheidender Faktor. Worauf kommt es dabei an?

  • Online-Kommunikation braucht in besonderem Maße ein positives, einander zugewandtes und freundliches Kommunikationsverhalten. Das lässt sich zum Beispiel erreichen, indem die Beteiligten aktiv auf Beiträge anderer Bezug nehmen. Auch Moderationstechniken wie die Kreismethode sind günstig. Dabei wird das Wort immer von einer Person an eine andere Person weitergegeben.
  • Versuchen Sie in Online-Meetings besonders die Stärken der Mitarbeiter zu adressieren und gute Laune einzubringen. Dabei ist jeder und jede gefragt, besonders aber jene Personen, die Gespräche leiten oder initiieren. Das geschieht nicht automatisch, ist aber besonders wichtig.
  • Bauen Sie in Argumentation und Lösungsfindung aufeinander auf. Das erzeugt inhaltliche und soziale Bezüge. Kollaborationstools wie Jamboard, Flinga oder Padlet sind einfach zu handhaben und ersetzen Flip Chart und Pinwand in Online-Meetings.
  • Der gesamte Raum ist das Meeting, alle Teilnehmenden gehören dazu und sind der „Social Body“ der Kommunikation. Dazu gehört eine Einstiegsrunde, an dem sich alle beteiligen, eine Umfrage, zum Beispiel ein Stimmungsbild, bei dem alle mitmachen. Dabei ist es wichtig, dass Sie auch diejenigen aktiv ansprechen, die sich nicht zu Wort melden. Denn die Kommunikation über Bildschirme kann dazu verleiten, sich eher passiv zu verhalten.
  • Machen Sie Kamera und Mikro an und verwenden Sie auch weitere Gesten mit der Hand oder den Zeichen im Programm in Ihrer Kommunikation. Schließlich würde man auch kein Präsenzmeeting als attraktiv bezeichnen, in dem sich die Gesprächsteilnehmer unter den Tisch setzen.
     

Aspekt 2: Zugehörigkeit

Ein zweiter Schlüsselaspekt der sozialen Gesundheit betrifft das Erleben von Zugehörigkeit und Eingebundenheit, man könnte auch sagen das „Wir Gefühl“ einer Organisation. Gerade in der digitalisierten Arbeitswelt braucht es eine Unternehmenskultur, in der sich Beschäftigte angenommen und gehört fühlen. Dies können Sie entlang von vier Dimensionen fördern:

  • Authentische Kommunikation erlaubt den Personen, sie selbst zu sein und fördert einen aktiven Umgang mit Gefühlen und Befindlichkeiten in der digitalen Kommunikation. Führungskräfte können hier vorausgehen und sich selbst authentisch einbringen.
  • Zugehörigkeit vermittelnde Kommunikation verhindert Kommunikationsabbrüche und Kommunikationssperren, stärkt die Struktur und die Kultur von Teammeetings, in denen Einzelne auch gehört werden, wie beispielsweise Barcamps, soziokratische Gesprächsformen, Kreisgespräche und gemeinschaftsfördernde Online-Meetings. Das Gegenteil solcher inklusiver Kommunikationsprozesse sind beispielsweise Online-Meetings, in denen die Teilnehmer ihre Kameras abgeschaltet lassen und/oder in denen immer nur dieselben Personen sprechen.
  • Erlebte Fairness in Prozessen und Entscheidungen: Wenn Unternehmen die Bedingungen aller im Team berücksichtigen und nicht einzelne bevorzugen, fördert dies die soziale Gesundheit. Wichtig sind dabei Human-Ressources-Praktiken, die Fairness gewährleisten. Wenn zum Beispiel alle Mitarbeiter die Chance erhalten, an Förderassessments teilzunehmen oder Qualifizierungen zu besuchen, dient das der erlebten Fairness.
  • Perspektivenvielfalt erhöht das Engagement, auch wenn es manche als bremsend erleben. Wenn alle Mitglieder eines Teams ihre Ideen, Sichtweisen und Meinungen einbringen können, ist dies förderlich für die Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft von Mitarbeitern.
     

Aspekt 3: Selbstmanagement

Eine dritte Bedingung für soziale Gesundheit in der Arbeitswelt betrifft das Selbstmanagement und die Arbeitsorganisation. Die Beschäftigten müssen sich Bereiche schaffen können, in denen sie autonom handeln und kommunizieren können, sie müssen sich auch abgrenzen dürfen. Es braucht beispielsweise definierte Spielregeln, wann Mitarbeiter nicht kommunizieren müssen. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass E-Mails zwar am Sonntag verschickt werden können, diese aber erst am Montag beantwortet werden. Es kann auch beinhalten, dass Mitarbeiter im Homeoffice, die Kinder zu betreuen haben, nachmittags drei Stunden „offline“ sein dürfen, dafür aber am Abend erreichbar sind. Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Erholung als Stabilisation von Gesundheit und Leistungsfähigkeit – ein bekanntermaßen sehr wichtiger Bereich der Gesundheitsförderung in der digitalisierten Arbeitswelt.

 

Arbeitswelt bleibt nachhaltig verändert

Schätzungen von Experten, Unternehmen und Politik gehen davon aus, dass die neue Arbeitswelt nachhaltig verändert bleibt. Auch nach Corona wird digitales und flexibles Arbeiten eine weitaus größere Verbreitung haben als zu Beginn des Jahre 2020. Umfragen ergeben, dass circa ein Drittel der Arbeit remote beziehungsweise im Homeoffice verrichtet werden wird. Organisationen und Führungskräfte sind daher gut beraten, ihre Strukturen, Prozesse und die Arbeitskultur so weiterzuentwickeln, dass die soziale Gesundheit ihrer Mitarbeiter – und damit Leistungsfähigkeit und Leistungsfreude – auch unter diesen Bedingungen hoch ist.

< Alle News